
EXKLUSIV: ZDF zieht sich aus IRT zurück
Der Skandal beim Institut für Rundfunktechnik (IRT) um entgangene Einnahmen aus Patentrechten in Millionenhöhe hat erste Konsequenzen im Gesellschafterkreis: Das ZDF will sich Ende 2020 zurückziehen.
„Nach den Vorfällen im Zusammenhang mit Patentrechten hat das ZDF beschlossen, seine Mitgliedschaft beim IRT zum Jahresende 2020 zu kündigen“, sagte ZDF-Sprecher Alexander Stock gegenüber InfoDigital. „Zudem sinkt - aufgrund der IT-Durchdringung aller Produktionsprozesse - der Bedarf des ZDF nach rundfunkspezifischem Knowhow, wie es das IRT vorhält.“ Bis Ende 2020 sei ausreichend Zeit, gemeinsam mit den anderen Partnern über die Zukunft des Instituts und mögliche Kooperationsformen zu reden.
Das IRT reagiert mit „großem Bedauern“ auf den angekündigten Rückzug des ZDF, wie IRT-Sprecher Thomas Schierbaum gegenüber InfoDigital erklärte. „Bis zuletzt hat die IRT-Geschäftsleitung versucht, das ZDF vom Mehrwert des IRT als kosteneffiziente Gemeinschaftseinrichtung zu überzeugen“, sagte Schierbaum. „Die gemeinschaftliche Finanzierung durch das ZDF und 13 Gesellschafter ermöglicht es dem IRT, wirtschaftliche Skalenerträge bei der Erarbeitung von medientechnischem Knowhow, bei der Erprobung neuer Technologien und bei der gemeinsamen internationalen Interessensvertretung zu generieren.“
Das vor rund 60 Jahren gegründete IRT ist die gemeinsame Forschungseinrichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In dem Institut, das auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks in München angesiedelt ist, werden frühzeitig neue Technologien und Verfahren aus der Medien- und Rundfunktechnik erprobt und weiterentwickelt, die heue Standard sind, etwa die Verbindung von Fernsehen und Internet über HbbTV.
Bei 5G Broadcast, dem künftigen Rundfunkmodus des neuen Mobilfunkstandards (InfoDigital berichtete), nimmt das IRT mit seinem jüngst verlängerten Feldversuch in München - 5G Today - eine international führende Rolle ein. Das Verfahren, das die Verbreitung von TV- und Radioprogrammen an Smartphones, Tablets und Smart-TVs im „Free-to-air“-Modus ohne SIM-Karte, Datenverbrauch oder Mobilfunkvertrag ermöglicht, könnte einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung des Rundfunks in der 5G-Welt leisten - gerade auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der auf diese Weise die Haushalte - wie derzeit bei DVB-T2, DAB+ und UKW - auf direktem Weg ungehindert erreichen könnte.
Der Rückzug des ZDF könnte das IRT in dieser Phase der Weichenstellung bei den Rundfunkverbreitungsverfahren der Zukunft schwächen.
Entscheidend für den Fortbestand des Instituts als eigenständige Forschungseinrichtung dürfte das Verhalten der ARD sein. Und diese zeigt sich zunächst abwartend. „Eine formale Kündigung des ZDF liegt noch nicht vor“, sagte ARD-Sprecher Markus Huber gegenüber InfoDigital. „Eine solche Kündigung müsste schriftlich gegenüber allen Einzel-Gesellschaftern erfolgen. Erst auf dieser Grundlage könnten die einzelnen Häuser beziehungsweise deren Aufsichtsgremien erörtern, welche Auswirkungen eine Kündigung des ZDF auf ihre Haltung hat.“
Dr. Jörn Krieger

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